Alice Springs

von Konrad Bucheli
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Donnerstag 27. und Freitag 28. Juni 2019

Unsere Zeit in Sydney ist nun um. Nun fängt unsere Reise im roten Zentrum Australiens mit einem Flug nach Alice Springs an.

Um 5:30 Uhr standen Petra und ich auf. Wie meistens wenn es früh auf grosse Tour geht bin ich schon lange vor dem Wecker wach. Um 6 waren auch die Kinder dran, Jann jedoch erbat noch etwas Aufschub. Da wir am Vorabend schon alles vorbereitet haben (Petra ist fast durchgestartet, hat dann aber zur allgemeinen Beruhigung herausgefunden, dass wir je zwei Stück Handgepäck mit total 14 kg mitnehmen dürfen) ging das Morgenessen und aufräumen zügig vorwärts. Ab 6:50 fragte mich Jann die ganze Zeit wenn endlich das Taxi komme. "Um 7 Uhr." Nachdem wir unser grosses Gepäck verladen haben und im Taxi zum Flughafen fuhren, fragte Jann: "Papi, warum kam das Taxi so spät?" "Das Taxi kam sehr pünktlich, genau zum bestellten Zeitpunkt."

Und so nehmen wir Abschied von Sydney, wo ich inzwischen im Total ganze 10 Monate gelebt habe. Die Firma hat das kleine Operations Center geschlossen und nach Kalifornien verlegt, wo kürzlich ein neues Büro eröffnet wurde. Zusammen mit Andi, der immer wieder hier unten war und das Ganze mit aufgebaut hat, hatte ich am Montag das Büro leergeräumt. Da wurden wir schon etwas wehmütig. Und unser Foto vom letzten gemeinsamen Feierabendbier im "Lord Duddley" im Firmenchat hat viele ähnliche Reaktionen ausgelöst.

Doch ganz zum Schluss wartet noch Yin am Flughafen mit einer kleinen Aufmerksamkeit. Bei meinem ersten Aufenthalt war sie meine Tanzpartnerin im Tangokurs und sie hat uns die chinesische Seite von Sydney gezeigt. Auch sie wird uns fehlen.

Nach fast drei ruhigen Flugstunden waren wir im Herzen des Kontinents angelangt. Wir holten das Auto und fuhren in die Stadt. Oder besser Städtchen. Mit 24'000 Einwohner ist das aus einer Post- und Telegrafenstation in der Mitte zwischen Adelaide und Darwin am Durchgang durch die MacDonnell Range entstandene Siedlung immer noch sehr übersichtlich. Wir fuhren zur Unterkunft und gingen dann ins Zentrum. Um 15 Uhr gab es ein verspätetes Mittagessen um 16 Uhr waren wir wieder bereit.

Kurz nach vier holte uns der Bus ab und brachte uns ins "Kangaroo Sanctuary", ein kleines Känguru-Schutzgebiet. Im Bus bereitete uns die BBC-Dokumentation "Kangaroo Dundee" vor auf dass, was uns erwartet. "Brolga", gross und hager, begrüsste uns und startete sein Aufklärungsprogramm: was macht man, wenn man einem toten Känguru am Rand der Strasse begegnet? Man solle doch aussteigen und schauen, ob da noch was im Beutel lebt. Und wenn dem so ist, dann das kleine Joey (so heisst ein Junges eines Beuteltiers) mitnehmen. Aus einem T-Shirt kann man einen Beutel machen, das Kleine hineinsetzten und dann, wohin man geht, immer vorne mittragen. Schliesslich ist man jetzt eine temporäre Kängurumutter bis man es dann in der nächsten Stadt bei einer Auffangstation abgeben kann. Und einfach nur mit der hohlen Hand Wasser geben, keine Milch. Dann holte er so ein kleines Wesen aus seinem Beutel. Aktuell ziehe er zehn davon gross. Pro Jahr werden 350 in Alice Springs abgegeben. Bei den meisten wird die Mutter überfahren. Das ist gerade in der aktuellen Dürrezeit wieder öfters der Fall, denn da findet man das grünste Gras am Rand der Strasse. Der Grund dazu ist dass beim Verbrennen von Treibstoff auch Wasser entsteht welches dann auch wieder niederschlägt. Manchmal bringen auch Aboriginesjäger ein Joey wenn sie die Mutter erlegt haben. 30 Freiwillige in Alice Springs helfen ihm dabei und ziehen zu Hause die Känguruwaisen gross. Wenn sie dann gross genug sind und kein Beutel mehr brauchen kommen sie in ein Gehege und wenn sie dann auch keine Milch mehr brauchen, dann werden die meisten wieder ausgesetzt.

Es bleiben jene zurück, die zu stark behindert sind so dass sie einem Dingo nicht mehr davon hüpfen können oder zu sehr an Menschen gewöhnt sind und auf den Jäger zu statt weg laufen. Er wurde da etwa von Aborigineskindern angerufen, dessen selbst aufgezogenes Jagdwaise und Spielkamerad so gross geworden war, dass es die Onkel essen wollten. Für diese Tiere hat "Brolga" sein Schutzgebiet eingerichtet, 76 ha Buschland, dingosicher eingezäunt. Das heisst 2.4 km über zwei Meter Maschendraht über der Erde und einen Meter unter der Erde. Und dass ganze mit Strom abgesichert. Die Dingos schleichen und und heulen jede Nacht darum herum.

Dann durften wir hinein gehen. Jann bekam als erstes ein Kängurujoey zu halten. Schliesslich durfte jeder mal für ein Weilchen Mutter sein. Als Kind musste er es auf dem Stuhl halten, die Erwachsenen durften es dann während der kurzen Wanderung im Gehege mittragen und weitergeben. Ich hatte es nie, denn ich hatte mein persönliches Käng..., äh, Kiara zu tragen. So konnte ich dann auch keines der Kängurus streicheln, die unsere Gruppe beäugt haben und persönlich vorgestellt wurden. "Brolga" erzählte uns viel Wissenswertes über Kängurus, aber auch speziell über Roger.

Das im letzten Dezember verstorbene Männchen war der grosse Star des Schutzgebiets, wenn nicht sogar nationales Symbol (demnächst gibt es eine Ausstellung in Canberra). Er gehörte zu der ersten Gruppe von Joeys, die "Brolga" aufgezogen hatte und wurde wegen einer Verletzung zurückbehalten. Er war dann über Jahre das Alphamännchen im Gehege bis dann sein Sohn ihn irgendwann verhauen hat. Kängurumännchen sind begnadete Kickboxer und machen so ihre Hackordnung aus. Ein hoch aufgerichtetes Kängurumännchen ist über zwei Meter gross und um die 90 kg. Die Weibchen werden etwa halb so gross. Und so ein Mensch hat eine ähnliche Postur wie ein Kängurumännchen dass zum Kampf herausfordert. Und so hat Roger "Brolga" immer als Gegner angeschaut und ist ihm wenn möglich immer nachgesetzt. "Brolga" ist dem Kampf natürlich immer ausgewichen und davongerannt, trotzdem hat es drei Mal für ein Spitalaufenthalt gereicht. Wenn Besucher kamen musste Roger immer in ein separates Gehege eingesperrt werden. Kürzlich haben sie die Männchen kastriert, denn dann sind sie weniger aggressiv und machen keine Probleme mehr. Diese Aggressivität ist auch der Grund warum es verboten ist, ein Känguru als Haustier zu halten.

Der Besuch im Kangaroo Sanctuary hat uns sehr gefallen. Und Kiara auch, obwohl sie da nicht hingehen wollte.

Am Freitag machten wir dann einen ruhigeren Tag mit Ausschlafen. Zuerst besuchten wir dann das kleine aber feine Museum des Royal Flying Doctor Service. Am Nachmittag sind wir durch die Fussgängerzone spaziert und waren einkaufen. Dann war Pooltime! Bei Sonne mit über 20° C ist es hier auch ganz angenehm und der Pool vor unserer Unterkunft auch sehr einladend. Nur geht die Temperatur nachts in die tieferen einstelligen Bereiche und das Wasser war dann auch entsprechend frisch. Ich selber blieb von Anfang an draussen, ich schwimme nicht sonderlich gerne. Wirklich drin war nur Petra, die Kinder waren ziemlich schnell wieder draussen.

Am frühen Abend besuchten wir noch den Olive Pink Botanic Garden am Rand der Stadt. Kiara sperrte wieder komplett. Und so wanderten wir nicht auf den Hügel von wo wir sicherlich eine gute Sicht über die Stadt gehabt hätten. Nachdem ich sie die halbe Runde getragen habe, hat sie sich wieder gefangen und konnte dann wieder selber gehen. Petra war dagegen bei Larina auf der Hut, denn die ist voller Elan herumgerannt und hat sich da nicht immer an den Weg gehalten. Schliesslich sind wir im Schlangengebiet. So ist dann für uns Erwachsene der lehrreiche Teil des Botanischen Gartens auf der Strecke geblieben...